Strompreis-Sofortpaket: Primat der Existenzsicherung

Wie sichern wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie trotz hoher Energiekosten?
Einleitung
Die deutsche Metall- und Elektroindustrie (M+E) steht vor einer existenziellen Krise, die durch steigende Strompreise und eine schwächelnde Konjunktur verschärft wird. Mit einem Rückgang der Produktion um 8,2 % im Jahr 2024 und einem kontinuierlichen Abbau von Arbeitsplätzen seit 2019 hat sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland deutlich verschlechtert. Besonders betroffen sind mittelständische Unternehmen, die 23 % der Branche ausmachen und aufgrund hoher Energiekosten in ihrer Existenz bedroht sind. Ziel dieses Essays ist es, die Problematik der Stromkostenbelastung zu analysieren und Lösungsansätze aufzuzeigen, wie ein Strompreis-Sofortpaket zur Stabilisierung der Industrie beitragen kann.
Hauptteil
1. Problemstellung: Die Belastung durch hohe Strompreise
Die Strompreise für Unternehmen in Deutschland gehören zu den höchsten weltweit. Während energieintensive Betriebe durch Ausnahmeregelungen teilweise entlastet werden, zahlen viele mittelständische Unternehmen den vollen Preis, der im Januar 2025 bei durchschnittlich 17,99 ct/kWh liegt – fast dreimal so hoch wie in den USA (6 ct/kWh)11. Gründe dafür sind:
- Hohe staatliche Abgaben wie die Stromsteuer (2,05 ct/kWh) und Netzentgelte (28 % des Endpreises)69.
- Steigende Kosten durch den CO₂-Preis, der 2025 auf 55 €/Tonne angehoben wurde9.
- Verzögerungen beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Netzinfrastruktur.
Die Folgen sind gravierend:
- Wettbewerbsverlust: Deutsche Unternehmen verlieren Marktanteile gegenüber internationalen Konkurrenten mit günstigeren Energiekosten.
- Abwanderung: Energieintensive Betriebe verlagern ihre Produktion ins Ausland.
- Arbeitsplatzabbau: Seit 2019 gingen in der M+E-Industrie über 38.000 Stellen verloren18.
2. Herausforderungen bei der Umsetzung eines Entlastungspakets
Ein Strompreis-Sofortpaket muss folgende Herausforderungen adressieren:
- Finanzierung: Eine Senkung der Stromsteuer oder Einführung eines Industriestrompreises erfordert erhebliche Mittel aus dem Bundeshaushalt.
- Zielgenauigkeit: Die Entlastung muss vor allem den Mittelstand erreichen, ohne Großkonzerne unverhältnismäßig zu bevorzugen.
- Langfristige Perspektive: Kurzfristige Maßnahmen dürfen nicht die Transformation hin zu klimaneutralen Prozessen behindern.
3. Lösungsansätze
3.1 Stromsteuer auf EU-Mindestmaß senken
Die Bundesregierung plant, die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe von derzeit 2,05 ct/kWh auf das EU-Mindestmaß von 0,05 ct/kWh zu reduzieren46. Diese Maßnahme könnte:
- Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von 10 GWh um bis zu 200.000 € entlasten4.
- Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber europäischen Nachbarn stärken.
3.2 Einführung eines „Brückenstrompreises“
Das Konzept eines Brückenstrompreises sieht vor, den Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen auf 6 ct/kWh zu deckeln12. Vorteile:
- Planungssicherheit für Investitionen in strombasierte Prozesse.
- Förderung der Dekarbonisierung durch günstigen Zugang zu erneuerbarem Strom.
Herausforderung: Die Finanzierung müsste durch den Klima- und Transformationsfonds erfolgen.
3.3 Gerechtere Verteilung der Netzentgelte
Ab 2025 werden die Netzentgelte regional gerechter verteilt, wodurch Betriebe in windreichen Regionen wie Schleswig-Holstein oder Brandenburg deutlich entlastet werden (bis zu -29 %)39. Dies könnte ergänzt werden durch:
- Eine bundesweite Deckelung der Netzentgelte für energieintensive Unternehmen.
- Förderung von Eigenstromerzeugung durch Photovoltaik und Batteriespeicher.
3.4 Einführung lastvariabler Tarife
Lastvariable Tarife ermöglichen es Unternehmen, ihren Stromverbrauch an Zeiten mit niedrigen Börsenpreisen anzupassen. Durch intelligente Zähler und Steuerungssysteme könnten:
- Bis zu 15 % der Energiekosten eingespart werden5.
- Netzengpässe reduziert werden.
3.5 Förderung von Eigenstromerzeugung
Unternehmen könnten durch Investitionen in Photovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerke unabhängiger von hohen Strompreisen werden. Maßnahmen zur Unterstützung:
- Abschaffung der Eigenverbrauchsabgabe auf selbst erzeugten Strom.
- Zinsgünstige Kredite für Investitionen in erneuerbare Energien.
4. Umsetzungsstrategie
- Kurzfristig (2025–2026):
- Gesetzliche Senkung der Stromsteuer auf 0,05 ct/kWh.
- Einführung eines Brückenstrompreises für energieintensive Branchen.
- Förderung lastvariabler Tarife durch Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes (§40 EnWG).
- Mittelfristig (2027–2030):
- Ausbau regionaler Hubs für erneuerbare Energien und Wasserstoffproduktion.
- Einführung eines bundesweiten Deckels für Netzentgelte.
- Langfristig (ab 2030):
- Integration von Eigenstromerzeugung in industrielle Prozesse.
- Schaffung eines klimaneutralen Industriestrommarktes.
Fazit und Ausblick
Die Senkung der Strompreise ist essenziell, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Metall- und Elektroindustrie zu sichern und eine Deindustrialisierung zu verhindern. Ein Strompreis-Sofortpaket sollte kurzfristige Entlastungen mit langfristigen Transformationsmaßnahmen kombinieren. Progressive Ansätze wie lastvariable Tarife oder Eigenstromerzeugung könnten die Abhängigkeit von volatilen Marktpreisen reduzieren und gleichzeitig zur Erreichung der Klimaziele beitragen.
Progressiver Gedanke: Die Digitalisierung des Energiemarkts könnte durch KI-basierte Lastmanagementsysteme weiter vorangetrieben werden, um Kosten zu senken und Effizienz zu steigern.
Disruptiver Gedanke: Eine radikale Idee wäre die Einführung eines europaweiten Industriestrommarktes mit einheitlichen Preisen, finanziert durch eine gemeinsame CO₂-Abgabe.
Literatur
- Südwestmetall. „Konjunktur Metall- und Elektroindustrie.“ Januar 2024.
- EcoFlow Blog. „Strompreisentwicklung 2025 Prognose.“ Juni 2024.
- Polarstern Energie Magazin. „Änderungen bei Stromkosten.“ Dezember 2024.
- CP Energie GmbH. „Stromsteuer soll für Unternehmen deutlich sinken.“ Februar 2025.
- Bundesnetzagentur. „Einführung von lastvariablen Tarifen.“ PDF-Dokument.
- Bundesregierung.de. „Strompreispaket für energieintensive Unternehmen.“ November 2023.
- BDI Artikel: „Steigende Stromkosten: Herausforderung für die Industrie.“
- Gesamtmetall.de Konjunkturbericht Februar 2025.
- SMARD.de „Entwicklung der Industriestrompreise.“ Februar 2025.
- FOES Positionspapier „Industriestrompreis.“ Oktober 2023.