Wertschöpfungsmanagement im Einkauf

Wertschöpfungsmanagement im Einkauf

Das Buch „Wertschöpfungsmanagement im Einkauf“ von Andreas Stollenwerk behandelt die strategische Bedeutung des Einkaufs als zentralen Wertschöpfungsbereich in Unternehmen. Es stellt klar, dass der Einkauf im globalen Wettbewerb eine entscheidende Rolle bei der Kostenoptimierung, Qualitätssicherung und Innovationsfähigkeit spielt. Während der Einkauf früher primär operativ tätig war, ist er heute ein strategischer Bereich, der eng mit der Unternehmensführung und der gesamten Wertschöpfungskette verbunden ist. Das Werk bietet praxisorientierte Strategien, Methoden und Kennzahlen, um den Einkauf als strategischen Erfolgsfaktor zu etablieren.

1. Begriff und Bedeutung des Wertschöpfungsmanagements im Einkauf

Wertschöpfungsmanagement im Einkauf bedeutet, dass der Einkauf nicht nur als Kostenstelle betrachtet wird, sondern als Bereich, der aktiv zur Wertsteigerung eines Unternehmens beiträgt. Der Begriff „Wertschöpfung“ umfasst die gesamte Kette von der Rohstoffbeschaffung bis zum Endprodukt, wobei der Einkauf eine Schlüsselrolle in der Auswahl und Verwaltung der Lieferanten spielt. Stollenwerk hebt hervor, dass Unternehmen in rohstoffarmen Volkswirtschaften wie Deutschland besonders darauf angewiesen sind, globale Kostenvorteile zu nutzen und die besten Wertschöpfungsketten zu integrieren.

Früher war der Einkauf oft nur dafür verantwortlich, den Materialfluss zu sichern und Preise zu verhandeln. Mit der zunehmenden Komplexität der globalen Lieferketten hat sich dies grundlegend geändert. Heute wird erwartet, dass der Einkauf strategisch agiert, Risiken managt, Innovationen fördert und enge Partnerschaften mit Lieferanten aufbaut. In vielen Unternehmen ist der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten der größte Kostenblock, was den Einkauf als Hebel für Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen besonders wichtig macht.

2. Herausforderungen im globalen Wettbewerb

Unternehmen stehen heute im globalen Wettbewerb vor zahlreichen Herausforderungen. Zu den wichtigsten zählen:

  • Lohnkostenvorteile neuer Wettbewerber: Insbesondere Unternehmen aus Asien und Lateinamerika bieten aufgrund niedrigerer Lohnkosten eine massive Konkurrenz für traditionelle Industrieländer. Dies zwingt Unternehmen, entweder in produktivere Maschinen zu investieren oder ihre Produktionsstätten zu verlagern, was wiederum die Fixkosten erhöht.
  • Rasant steigendes Innovationstempo: Die Entwicklungszeiten neuer Produkte haben sich drastisch verkürzt. Während in den 1970er Jahren die Entwicklung eines neuen Automodells sieben bis zehn Jahre dauerte, ist diese Zeitspanne heute auf etwa die Hälfte reduziert. Dies erhöht den Druck auf den Einkauf, schnell leistungsfähige und innovative Lieferanten zu finden, die nicht nur kostengünstig sind, sondern auch technologisch führend.
  • Steigende Kundenanforderungen: Kunden erwarten heutzutage nicht nur hochwertige Produkte, sondern auch umfassende Garantieleistungen, schnelle Ersatzteillieferungen und exzellenten Service. Der Einkauf muss sicherstellen, dass Lieferanten in der Lage sind, diese Anforderungen zu erfüllen.
  • Gesellschaftliche und ökologische Verantwortung: Unternehmen stehen zunehmend unter dem Druck, sozial verantwortliche und nachhaltige Lieferketten aufzubauen. Dies erfordert vom Einkauf ein tiefes Verständnis für ethische Standards, ökologische Anforderungen und internationale Arbeitsbedingungen.
  • Volatilität der Rohstoffpreise: Der globale Rohstoffbedarf ist gestiegen, und die Preise schwanken stark. Dies erhöht das Risiko von Versorgungsengpässen. Der Einkauf muss langfristige Lösungen finden, um eine stabile Materialversorgung zu gewährleisten, etwa durch Absicherungsgeschäfte oder die Entwicklung von Substituten.

Diese Herausforderungen erfordern eine Neuausrichtung des Einkaufs hin zu einer strategischen Funktion, die über die reine Materialbeschaffung hinausgeht.

3. Voraussetzungen für erfolgreiches Wertschöpfungsmanagement

Stollenwerk betont, dass der erfolgreiche Aufbau eines Wertschöpfungsmanagements im Einkauf mehrere wichtige Voraussetzungen erfordert:

3.1. Entwicklung eines Kostenbewusstseins

Eine der Grundvoraussetzungen für ein effektives Wertschöpfungsmanagement ist die Entwicklung eines unternehmensweiten Kostenbewusstseins. Dies bedeutet, dass alle Abteilungen und Mitarbeiter die Bedeutung des Einkaufs als strategischen Erfolgsfaktor anerkennen. Die Materialkosten machen in vielen Branchen den größten Anteil an den Gesamtkosten aus. Daher bietet der Einkauf großes Potenzial, die Gewinnsituation des Unternehmens durch Kostensenkungen zu verbessern. Stollenwerk zeigt anhand von Beispielen, wie sich Materialkosteneinsparungen direkt auf den Unternehmensgewinn auswirken können, insbesondere in Branchen mit einem hohen Materialkostenanteil, wie der Automobilindustrie.

3.2. Entwicklungsstand der Einkaufsorganisation

Die Einkaufsabteilung hat sich historisch von einer rein operativen Bestellabteilung hin zu einer strategischen Funktion entwickelt. Während in den 1950er und 1960er Jahren der Einkauf oft nur als Bestellbüro fungierte, das Aufträge abwickelte und Termine überwachte, begann in den 1970er Jahren ein Wandel. Der Einkauf wurde zunehmend als eigenständige Abteilung anerkannt, die Preisverhandlungen führte und Lieferanten auswählte. In den 1980er Jahren rückte die Kostenoptimierung stärker in den Fokus, und der Einkauf begann, Lieferantenbeziehungen und Produktionskosten strategisch zu managen.

Heute ist der Einkauf in vielen Unternehmen ein zentraler Bestandteil der Wertschöpfungskette, der nicht nur über die Höhe der Materialkosten, sondern auch über die Qualität und Innovationskraft der Produkte entscheidet. Unternehmen, die den Einkauf als strategischen Partner betrachten, sind besser in der Lage, Wettbewerbsvorteile zu nutzen.

3.3. Trennung von operativem und strategischem Einkauf

Ein entscheidender Schritt zur Professionalisierung des Einkaufs ist die klare Trennung zwischen operativen und strategischen Aufgaben. Während der operative Einkauf für die tägliche Bestellabwicklung und Lieferterminüberwachung zuständig ist, liegt der Fokus des strategischen Einkaufs auf der Entwicklung von langfristigen Beschaffungsstrategien, der Optimierung der Lieferantenbasis und der Integration des Einkaufs in die Produktentwicklung. Diese Trennung ermöglicht es, dass der strategische Einkauf frühzeitig in die Entwicklungsprozesse eingebunden wird und so einen erheblichen Einfluss auf die Wertschöpfung des Unternehmens nehmen kann.

4. Einkaufsstrategien als Teil der Unternehmensstrategie

Stollenwerk betont, dass der Einkauf eng mit der Unternehmensstrategie verknüpft sein muss, um den größtmöglichen Wertbeitrag zu leisten. Dies erfordert die Entwicklung klarer Einkaufsziele, die sowohl operative als auch strategische Aspekte abdecken:

  • Operative Ziele: Diese betreffen die Sicherstellung der Materialversorgung, die Verhandlung von Preisen und Konditionen sowie die Überwachung von Lieferterminen.
  • Strategische Ziele: Dazu gehören die langfristige Sicherung von Kostenvorteilen, die Entwicklung von Innovationspartnerschaften mit Lieferanten und die Absicherung der Materialversorgung gegen externe Risiken wie Preisschwankungen oder Versorgungsengpässe.

4.1. Daten- und Informationsquellen

Um fundierte Einkaufsstrategien zu entwickeln, ist es wichtig, auf genaue Daten und Informationen zurückzugreifen. Stollenwerk beschreibt verschiedene Datenquellen, die im Einkauf genutzt werden können, wie zum Beispiel Beschaffungsmarktforschung, interne Bedarfsermittlungen und Lieferantenanalysen. Diese Daten sind die Grundlage für die Durchführung strategischer Analysen, die es ermöglichen, die besten Lieferanten auszuwählen und langfristige Beschaffungsstrategien zu entwickeln.

4.2. Portfolio-Analyse

Ein zentrales Instrument des strategischen Einkaufs ist die Portfolio-Analyse. Sie ermöglicht es, Produkte und Lieferanten nach ihrem strategischen Beitrag zur Wertschöpfung zu bewerten. Stollenwerk beschreibt mehrere Portfolio-Ansätze, darunter das Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio und das Einkaufsvolumen-Versorgungsrisiko-Portfolio. Diese Methoden helfen dabei, Risiken zu identifizieren und Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung zu ergreifen.

4.3. Warengruppenmanagement

Ein weiteres wichtiges Konzept ist das Warengruppenmanagement. Dabei werden ähnliche Produkte oder Dienstleistungen zu Gruppen zusammengefasst, um Skaleneffekte zu nutzen und Beschaffungsprozesse zu optimieren. Dies ermöglicht eine gezielte Verhandlungsführung mit Lieferanten und eine effizientere Steuerung der Materialkosten.

5. Handlungsfelder des Einkaufs

Stollenwerk definiert mehrere Handlungsfelder, die im strategischen Einkauf besonders wichtig sind:

  • Kapitalsteuerung: Der Einkauf beeinflusst durch gezielte Maßnahmen, wie etwa Bedarfsbündelung und Spezifikationsmanagement, die Kapitalbindung im Unternehmen.
  • Kreditorenmanagement: Die Auswahl und Steuerung der Lieferanten ist ein weiterer zentraler Aspekt. Hier geht es nicht nur um die Sicherstellung der Lieferfähigkeit, sondern auch um die Entwicklung langfristiger Partnerschaften.
  • Koordination: Der Einkauf spielt eine wichtige Rolle in der Koordination der gesamten Wertschöpfungskette. Dazu gehören auch innovative Konzepte wie „Collaborative Supply Chain Management“ und „Supplier Managed Inventory“.
  • Risikomanagement: Ein zentrales Thema ist das Management von Risiken, die sich aus globalen Lieferketten, Rohstoffpreisschwankungen oder geopolitischen Entwicklungen ergeben.

6. Notwendige Qualifikationen des modernen Einkäufers

Der moderne Einkäufer benötigt ein breites Spektrum an Qualifikationen, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Neben fundierten betriebswirtschaftlichen und technischen Kenntnissen sind auch Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeiten essenziell. Stollenwerk betont, dass der Einkäufer zunehmend als Projektmanager agieren muss, der in der Lage ist, interdisziplinäre Teams zu führen und komplexe Lieferketten zu managen. Zudem sind internationale Erfahrung und interkulturelle Kompetenz im globalen Einkauf unerlässlich.

Fazit aus berufspädagogischer Sicht

Aus einer berufspädagogischen Perspektive ist Stollenwerks Buch ein wertvolles Werk, das praxisorientierte Methoden und theoretische Grundlagen vermittelt, die in der beruflichen Bildung im Bereich Einkauf und Supply Chain Management von zentraler Bedeutung sind. Die im Buch dargestellten Strategien und Methoden sind nicht nur für Unternehmen von großem Nutzen, sondern auch für die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Einkauf. Es zeigt, dass der moderne Einkauf weit mehr als eine operative Funktion ist und dass eine fundierte Ausbildung in den Bereichen Kostenmanagement, Lieferantenmanagement und strategischer Einkauf entscheidend für den langfristigen Unternehmenserfolg ist.

In der beruflichen Praxis ermöglicht das im Buch dargestellte Wissen über strategisches Einkaufsmanagement, dass Einkäufer nicht nur als Verwalter von Bestellungen agieren, sondern aktiv zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen. Dies macht das Buch zu einer wertvollen Ressource für Fachkräfte, die sich im Bereich Einkauf und Beschaffung weiterqualifizieren möchten.

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